Laufbericht
von TOM
Ein kurzer
Bericht über das gemeinsame Run4Refugees-Abenteuer von Holly und Tom am
Thermen-Marathon in Bad Füssing.
Ankunft
Nach einer
mehrstündigen Anfahrt von Männedorf (CH) nach Bad Füssing (D) aufgrund der
Verkehrslage ging es schnurstracks zum Einchecken in unser Hotel. Dies ging
relativ rasch, obwohl die Empfangsdame unseren „Late-check-out-Status“ wegen
grosser Zimmernachfrage stornieren wollte.
Wir konnten sie
glücklicherweise vom Gegenteil überzeugen. Eine Heimfahrt ungeduscht und in
stinkenden Laufklamotten hätte ich nun wirklich nicht gebraucht.
Nach dem
erfolgreichen check-in, ging`s zu Fuss zur Johannesbad-Therme wo sich die
Startnummernausgabe und die Marathonmesse befand.
Die Startnummer
wurde schnell und unkompliziert überreicht, wir hatten also Zeit für einen
Messebesuch. So viel Zeit wäre eigentlich gar nicht notwendig gewesen. Unter
dem Begriff „Messe“ stellte ich mir eine Ansammlung von Ständen mehrerer
Anbietern von Laufutensilien, Sporternährung oder Laufevents vor. Die
Marathonmesse in Bad Füssing hat man in 2 Minuten besichtigt. Einen stand mit
einem mobilen „Laufbekleidungs-Outlet“, ein weiterer Stand gehörte einer
lokalen Textildruck-Firma und der Dritte machte Werbung für den Regensburgmarathon.
Als wir jedoch
den Saal in dem die Pastaparty stattfand betraten, wurde mir sofort klar wo die
Prioritäten der oberbayrischen Laufsportfreunde liegen. Nicht bei
Marathonmessen, sondern beim Feiern. Im Saal war laute Volksmusik zu hören, und
alle hatten ein Bier vor sich stehen. Die Stimmung war super, mir jedoch etwas
zu laut. Wir lösten unsere, im sehr grosszügigen Starterpaket enthaltene, Bons
für 3 Freigetränke im Thermenrestaurant ein, und verabschiedeten uns von der
Party.
Um 18:30 hatten
wir einen Tisch in einem Restaurant im Ortskern reserviert. Davor wollten wir
noch den Ort anschauen. Und die Betonung liegt wirklich bei „wollten“. Unter
„Bad Füssing“ stellte ich mir einen altehrwürdigen Kurort vor. Doch ausser
vielen Menschen mit Krücken, Rollstühlen und Gehhilfen war ausser gefühlten 200
Hotels und Pensionen, 50 Apotheken und Drogerien sowie einigen Ärzten kaum ein
Ortskern auszumachen. Ich war etwas enttäuscht.
Freude hatte ich
dafür an dem Restaurant, welches Holly für das Abendessen gebucht hatte. Es war
echt „bayrisch-urchig“. Die Wände mit Holz getäfert, tönerne Bierkrüge auf dem
Tisch, der Service in Lederhose und Dirndl – einfach wundervoll. Auf der
Speisekarte waren einige leckere einheimische Gerichte aufgeführt, so dass die
Wahl schwer viel. Für mich auf jeden Fall. Holly hatte mit ihren veganen
ernährungsvorlieben deutlich weniger Glück. Man könnte wohl sagen, dass es
einfacher wäre Mitten in der Wüste ein eisgekühltes Getränk aufzutreiben, als
in einem urbayrischen Restaurant ein veganes Menue. So musste Holly mit faden
Salzkartoffeln und einem riesigen Salatteller Vorlieb nehmen, während ich mir
den Bauch mit einer Rinderkraftbrühe mit Knödeleinlage und anschliessend einem
Rindersteak aus der Obersteiermark und Risotto vollschlug. Richtig. Nicht
unbedingt die geeignete Mahlzeit vor einem Marathon. Da es für mich aber nur
darum ging in moderatem Tempo die Strecke zu absolvieren und ich so Lust darauf
hatte, habe ich mir das einfach gegönnt.
Nacht vor dem grossen Tag
Nachdem wir nach
dem gemeinsamen Abendessen wieder im Hotel angekommen sind. Ging es um die
konkreten Vorbereitungen für den morgigen Tag. Die Bekleidung und andere
Laufutensilien mussten bereitgemacht werden. Der Wetterbericht war das einzige,
was uns noch etwas Kopfzerbrechen bereitete. 3 konsultierte Wetterwebseiten – 3
verschiedene Prognosen. Von Regen und Wind bis Sonnenschein und Windstille war
alles zu haben.
Die nächste
Herausforderung war meine Wettkampfhose. Sie hatte keine einzige Tasche. Eine
solche wäre jedoch noch von Vorteil wenn es darum geht Energiegels zu
verstauen. Eigentlich wollte ich nur auf Wasser und Bananen an den
Verpflegungsstationen zurückgreifen, aber da ich bis 5 Tage vor Start noch Mühe
mit meiner Verdauung hatte, nahm ich dann doch noch Gels mit, um auf kompakte
Energie zurückgreifen zu können falls mein Magen rebelliert. Zum Glück hatte
Holly noch ein zweites „Zauberstartnummernband“ dabei, an dem ich mühelos meine
4 Gels befestigen konnte. Danke Holly!
Die Nacht ist
kurz erzählt. Früh ins Bett. Lesen. Unruhig schlafen. Immer wieder auf den
Wecker schauen. Aufstehen. Das übliche halt vor einem Marathon.
Der grosse Tag – Raceday
Aufstehen. Und
die Sonne strahlt. Ein perfekter Tag für ein tolles Laufabenteuer. Dann einen Abstecher zum Frühstücksbuffet. Und
wahrscheinlich war ich der einzige, der sein Frühstück selber mitgebracht hat.
Ich wollte eine neue Ernährungsstrategie austesten. Da ich immer wieder Mühe
mit meiner Verdauung vor Wettkämpfen habe, und sich meine
Nahrungsmittelunverträglichkeiten mit zunehmender Form auch potenzieren, wollte
ich etwas Neues ausprobieren. Meine Trainingslongjoggs absolviere ich jeweils
nüchtern, und wenn mit Frühstück, dann nur jeweils mit etwas Hirsebrei 1 Stunde
vor dem Loslaufen. Nun dachte ich, ich könnte dies mal vor einem Marathon
versuchen, um der passenden Ernährung für die bevorstehenden Ultraläufe in
dieser Saison etwas näher zu kommen. Und so sass ich mit Holly und meinem
Tupperware mit Hirsebrei, Honig und Salz am Frühstückstisch.
Und beide waren
wir nervös. Holly wegen der Zeit, die sie erreichen wollte. Ich wegen meinem
Magen. Das ältere Publikum im Speisesaal lud glücklicherweise förmlich dazu ein
sich zu amüsieren und somit ein wenig abzulenken. Besonders lustig fand ich die
kleinen Täfelchen auf dem Tisch mit der Aufschrift „Happy hour – jeden Tag von
16:30 bis 17:30 – Cafè Latte und Cafè crème zum halben Preis“ – cocktailfreie
Zone.
Und auf geht’s
bei etwa 4 Grad und prächtigem Sonnenschein zur Startlinie. Davor noch schnell
die Wechselklamotten für nach dem Lauf in der Abgabezone deponiert und schon standen wir von anderen LäuferInnen umgeben in der
Startzone. Die Stimmung war super.
Dann der
Countdown zum Startschuss. Nun, wir wären ja nicht in Bayern, wenn auch die
Startprozedur nicht auch noch sehr speziell wäre. Statt einer Hupe oder einer
Startpistole, haben die Veranstalter im wahrsten Sinne des Wortes „grosses
Geschütz“ aufgefahren. Mit den Worten des Moderators „Lasst die Österreicher
wissen, dass wir Richtung ihre Grenzen laufen…3…2…1…!“ KAWOOOM. Etwa 10 Männer in Tracht und Handkanonen gaben mit einem
ohrenbetäubenden Knall aus ihren Geschützen das Signal zum Aufbruch für die
LäuferInnen.
Zu Beginn war
der Kurs sehr verwinkelt und die ersten beiden Kilometer eher hektisch. Es
wurde viel überholt, weggeschoben, um Positionen gekämpft. Nicht einfach, Holly
in der Meute nicht zu verlieren, den kürzesten Weg für sie zu finden und
freizumachen. Dass die Kategorie „Halbmarathon“ gleichzeitig startete, machte
es nicht unbedingt einfacher.
Nach etwa 3
Kilometern hatte sich die Läuferschar etwas beruhigt und es kam nur noch
vereinzelt zu Überholmanövern. Die ersten Kilometer absolvierten wir etwas
schneller als geplant, und wir nahmen etwas Tempo zurück. Die Laufstrecke
führte zu Beginn über einen eher schmalen Radweg, was ich als nicht sehr toll
empfand. Durch die recht beschränkten Platzverhältnisse und das unrhythmische
Laufen der Mitbewerber war es nur schwer möglich den eigenen Rhythmus zu
finden. Nach etwa 5 Kilometer kam der erste Verpflegungsposten in Sicht. Im
Getränkeangebot gab es Tee, auf den ich es abgesehen hatte. Leider war der Tee
in den Plastikbechern noch dermassen heiss, dass ich mir nur einen kleinen
Schluck gönnen konnte. Da ich mir vorgenommen hatte an den Verpflegungsstellen
wirklich anzuhalten um meinen Magen nicht mit zusätzlich verschluckter Luft
beim Trinken zu reizen, musste ich Holly wieder einholen, die in der
Zwischenzeit während ihrer Verpflegung weitergelaufen war.
Und schon ging`s
weiter. In der Zwischenzeit stieg die Sonne am Horizont weiter auf, und heizte
uns ein. Wunderschön blauer Himmel und in der Sonne glitzernde Wiesen. Kurz
nach der Verpflegungsstelle verbreiterte sich auch die Strasse. In der Nähe von
uns der 3:30-Pacemaker-Ballon, und eine Schar Läufer um ihn herum. Ich scherzte
ein wenig mit ihm. Holly wollte nicht unbedingt in der Läuferschar mitlaufen,
sondern sich davor positionieren. Nun gut, sie ist heute „meine Chefin“. Nach
wenigen hundert Metern wurden wir dann doch noch von der Gruppe überholt.
Holly schien
sich immer mehr zu verkrampfen, die Schultern hochgezogen. Ein Blick auf ihre
Pulsuhr trug nicht unbedingt zur Beruhigung bei. Diese zeigte nämlich
exorbitante Werte, die völlig unmöglich waren.
Und nun steckte
ich wirklich in einem Dilemma. Einerseits war da die prognostizierte „Wunschzeit“ und andererseits Holly`s
Tagesform, die nicht ihren Möglichkeiten entsprach. Was tut man als Pacemaker
in einer solchen Situation? Wir verschoben die Prioritäten weg von der
Wunschzeit, hin zur Bewältigung der Laufstrecke.
Als Holly dann
nach 14 km meinte, sie würde eventuell nur den Halbmarathon absolvieren, und
dann vor der zweiten Runde der Laufstrecke aussteigen, kam ich ins Grübeln. Ich
schlug ihr vor, dass wir das Tempo reduzieren und gemeinsam bis Kilometer 30
laufen. Wenn Holly dann aufhören möchte, spazieren wir gemeinsam zum
Zielgelände zurück, aber haben so wenigstens unseren sonntäglichen
Trainingslongjogg absolviert. Zu meinem Glück ging Holly auf diesen Vorschlag
ein. So bewältigten wir die kommenden Kilometer auf einer recht schönen und
abwechslungsreichen Strecke bei herrlichem Laufwetter.
Wir erlebten
noch einige „Tiefen“ wie zum Beispiel die „Nahrungsaufnahmeunlust“ von Holly,
die nur mit Nachdruck meinerseits überwunden werden konnte und einem etwas
penetranten Mitläufer der sich rülpsend und pupsend in unserem Windschatten
aufhielt und immer knapp davor war uns von hinten auf die Füsse zu stehen. Aber
es gab deutlich mehr „Höhen“ als „Tiefen“. Die freiwilligen Helfer waren super
motiviert, die Laufstrecke wunderschön, das Wetter perfekt, viele nette
Kontakte und Gespräche unterwegs mit anderen Läufern. Und die Zeit verging wie
im Flug.
Im Ziel
Nach etwa 3
Stunden und 50 Minuten überquerten wir gemeinsam die Ziellinie. Hollys Wunschzeit
haben wir nicht erreicht. Die Qualifikation für den Boston-Marathon hat sie
jedoch in der Tasche. Aber ich bin dennoch unglaublich stolz auf meine
Laufpartnerin. Ihr ist es gelungen einen Marathon in einer respektablen Zeit zu
absolvieren, obwohl es ihr bereits wenige Kilometer nach Start nicht gut ging.
Obwohl sie mehrmals unterwegs ans Aufgeben gedacht, und dies auch geäussert
hat. Sie ist eine wirkliche Ultraläuferin mit den drei wichtigsten „Zutaten“
die es dafür braucht – eine Läuferin „Mit Beinen, Kopf und Herz“.
Gut gemacht Holly – KEEP ON RUNNING!