Es ist schon
so eine Sache für sich. Immer mehr Läufer scheinen sich an einen Marathon, oder
gar Ultra-Marathon, wagen zu wollen. Die Distanz des Marathons hat auch etwas
Magisches: glanzvoll, pathetisch, prestigeträchtig.
Doch im
Rahmen unserer Arbeit als Trainer stellen wir immer wieder teilweise
erschrocken fest, dass der Begriff "Marathon" etwas seinen Nimbus
verloren zu haben scheint.
Dabei geht
leider etwas der Respekt vor den Anforderungen an den Langstrecken-lauf und der
erbrachten Leistung der Läuferinnen und Läufer verloren. Viele stehen da
unvorbereitet, in mangelhafter Form, aufgrund einer verlorenen Wette oder eines
masslos übersteigerten Selbstwertgefühls nervös zappelnd an der Startlinie.
Insgeheim wohl wissend um die unzureichende Vor-bereitung.
Damit DIR
das nicht passiert, hier unsere 15 Goldenen Regeln für Langstrecken-läufer und
solche, die es werden wollen.
DIE BASICS -
darum
solltest du dich als Erstes kümmern
1) Kümmere
dich um deinen Fettstoffwechsel!
Wer lange
laufen will braucht einen funktionierenden Stoffwechsel. Der Fettstoffwechsel
sollte darum frühzeitig und als Erstes im Zentrum des Trainings stehen.
Optimalerweise belasten wir dazu den Organismus über einen zunehmend langen
Zeitraum konstant im Bereich der aeroben Schwelle.
Aus Erfahrung muss festgehalten werden, dass auch
teilweise erfahrene Läufer anfangs Mühe haben, in diesem Belastungsbereich
laufen zu können. Oftmals ist man schlicht zu "intensiv", zu schnell
unterwegs. Der Kopf spielt dabei eine grosse Rolle. Man sollte das Ego zu Hause
lassen, wenn man trainiert.
Wir empfehlen deshalb, einen grossen Teil des
FSW-Trainings auf einem Rad (dafür ist auch ein Indoor Cycle tiptop geeignet)
zu absolvieren.
Bei lockerem Training wird zudem die
Mitochondriendichte (also die Anzahl unserer "Zellkraftwerke";
Stichwort AMPK-Signalweg) erhöht und der lokale Blutfluss verbessert.
2) Wie stehts um deine Blutwerte?
Ernährung ist ein zentrales Thema. Ohne hochwertigen
Sprit geht nun mal nix. Um mich kurz zu fassen; meide (hoch-)verarbeitete
Lebensmittel, raffinierten Zucker und - ganz wichtig - Transfette. Letztere
sind in der Schweiz nicht deklarationspflichtig! Du kannst davon ausgehen, dass
sie in verarbeiteten günstigen Fertignahrungsmittel vorhanden sind. ;-) Meide
sie!
Generell sollten hochwertige Proteine und gesunde
Fette verzehrt werden. Optimalerweise achten wir bei den Fetten auf eine hohe
Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren (am Besten in Form von DHA und EPA) und einem
Omega-3/6-Verhältnis von 1:2 bis 1:3.
Kohlenhydrate sind darüber hinaus ein wichtiger
Makronährstoff und sollte bevorzugt mit niedrigem glykämischen Index konsumiert
werden. Direkt nach dem Training ist ein guter Zeitpunkt, um auch etwas
Kohlenhydrate mit höherem glykämischen Index zu konsumieren.
Achte darüber hinaus auf eine hohe Zufuhrmenge an
Mikronährstoffe. Du wirst die Dinger in Massen benötigen!
Belassen wirs an dem Punkt dabei.
Hast du den Verdacht, dass da bei dir einiges
vielleicht nicht so ganz optimal läuft, lohnt es sich vielleicht, sich mit
einem erfahrenen Ernährungs Trainer zusammen zu setzen.
3) Der richtige Fokus
Wer eine lange Distanz laufen können will, der muss
sich im Klaren sein, dass dieses Unterfangen Einsatz, Fleiss und Disziplin
erfordert. Man muss es aus eigenem Antrieb, aus seinem Innersten heraus,
wirklich wollen! Einen Marathon zu laufen, um "in" zu sein ist
einfach nur dämlich.
Das Langstreckenlaufen erfordert also einen
entsprechenden Stellenwert in deinem Leben. Hinterfrage deine Alltagsbelastung
(Job, Familie, Verpflichtungen, ...) und dein Stress-Verhalten. Stimmt die
Einstellung?
4) Der Wert der Lauftechnik
Lerne zu Laufen!
Das klingt etwas banal, aber ein möglichst
ökonomischer, physiologisch-anatomisch korrekter Bewegungsablauf ist nicht nur
leistungssteigernd (in Form schnellerer Laufzeiten) sondern auch bezüglich der
Verletzungs- und Verschleiss-Prävention unumgänglich.
Eine kompetente Laufstil-Analyse ist nicht verkehrt
und ermöglicht dir auch die Wahl der richtigen Laufschuhe.
5) Kenne deine Schwächen
Ein instabiles Fussgelenk, ein schwaches Fussgewölbe,
instabile Knie oder eine unbewegliche Hüfte ... das Runners Knee oder ein
Schienbeinkantensyndrom lassen grüssen. Laufen benötigt den ganzen Körper,
stärkt diesen aber umgekehrt oft nur unzureichend. Ausgleichstraining ist also
dringend nötig. Neben Stabilität und Beweglichkeit ist auch auf die
Core-Muskulatur ein spezielles Augenmerk zu richten. Die physiologische
Funktionalität muss gewährleistet sein und an individuellen Dysbalancen muss
ständig gearbeitet werden; das unterscheidet den Fortgeschrittenen oder
gar Profi vom Amateur.
Ein FMS (Functional Movement Screen) bei einem
kompetenten Sport-Physiotherapeuten hilft allenfalls weiter. Wer dazu einen
guten Buchtipp möchte sollte mal "Dr. Kelly Starrett" googeln.
6) Unterschätze nicht den Wert von Krafttraining
Krafttraining ist darum derart wichtig, weil
Muskelabbau aufgrund langer (Dauer-)Belastungen vorgebeugt werden kann, Muskeln
aufgebaut und eine Steigerung der Maximalkraft auch eine Verbesserung der
Kraftausdauer zur Folge hat. Nicht nur die kleinen lokalen Stabilisatoren
müssen trainiert werden, auch die "grossen Muskeln" bedürfen
regelmässiger Reize.
nach den Basics folgt die Kür. Bleib aber an den
Punkten 1 bis 6 unbedingt dran.
7) Stoffwechselqualität oder wie deine Mitochondrien
arbeiten
Deine "Zellkraftwerke" sollten sowohl
schnell zwischen ihrem bevorzugten Substrat (Fett oder Kohlenhydrat / Stichwort
AMPK- bzw. mTOR-Signalweg für alle weiterführend Interessierte)
"switchen" als auch das zu verarbeitende Substrat möglichst optimal
"verlustfrei" verwerten können.
Genauer zu erklären, worum es dabei geht, würde den
Rahmen hier sprengen. Aber es ist ein wichtiger Punkt und ein Metabolisches
Syndrom ist so ziemlich das Hinterletzte, was du als Läufer oder Sportler (oder
Mensch im Allgemeinen) haben möchtest...
8) Wer länger locker laufen möchte sollte ...
schneller werden!
Oft hört man von "Läufern", dass sie keine
hochqualitativen Einheiten (wie Intervalle, Tempoläufe, etc.) benötigen, da sie
"Langstreckler" seien. Um es kurz zu machen: das ist Quatsch! In
einer Grundlagenphase mag es noch eine gewisse Daseinsberechtigung für diese
Ansicht geben, später aber bestimmt nicht mehr.
Neben der Tatsache, dass das Laufen in hohem Tempo die
Laufökonomie verbessert, ist es ähnlich wie beim Verhältnis Maximalkraft zu
Kraftausdauer. Mehr Maximalkraft gleich mehr Kraftausdauer. Höheres
Maximaltempo gleich höheres Tempo im lockeren (= ausdauernden)
Belastungsbereich.
9) Lerne,
bei gleichem (hohen) Tempo lockerer zu werden
Dies nennt
man "Ökonomisierung". Halte auch bei hohem Tempo eine saubere
Laufhaltung ein, halte den Oberkörper "geöffnet" aufrecht (das
Brustbein gehoben). Ein eingeklemmtes Zwerchfell ist nicht gerade förderlich
für die Atmung. Die Arme sollten nicht in der Gegend herum schlackern und vor
der Brust nicht "überkreuzen". Jede Bewegung einer jeden Körperfaser
dient einem einzigen Zweck: Vorwärtsbewegung zu ermöglichen.
10) Lerne, bei tiefem Tempo und langen Läufen konstant
mit sauberer Lauftechnik zu laufen
Es ist wichtig, die Haltung/Laufqualität auch bei
langen Läufen beibehalten zu können. Wenn wir erfolgreich trainieren und
zunehmend besser werden neigen wir oft dazu, uns bei lockeren Läufen gehen zu
lassen. Der Körper sackt förmlich in sich zusammen. Dies ist zu vermeiden.
abschliessend noch ein paar allgemeine Worte.
11) keep it simple, stupid!
Ein wichtiger Tipp, den wir haben ständig das
Verlangen, Dinge kompliziert zu machen. Das hilft uns aber nur selten dabei
unsere Ziele zu erreichen. Wenn wir also wieder einmal nicht so genau weiter
wissen und Gefahr laufen, uns zu verzetteln, sollten wir uns bewusst werden,
WAS wir mit einer bestimmten (Trainings-)Intervention eigentlich bezwecken
wollen. Dieses Ziel sollten wir stets auf die einfachst mögliche Art und Weise
zu erreichen versuchen. Beherrschen wir diese "Kunst", können wir mit
den Parametern zu spielen beginnen.
12) Die Gesundheit hat erste Priorität
Darüber müssen wir eigentlich nicht viele Worte
verlieren. Es sollte immer selbstverständlich sein. Wer dauernd wegen eines
überlasteten Immunsystems krank, ständig verletzt oder im schlimmsten Fall
seine Strukturen nachhaltig schädigt, der wird niemals ein guter Läufer sein.
Um es nochmals zu wiederholen: gib dein Ego an der
Türschwelle zum Training ab. Stolz hat im Training nichts verloren. Es geht
immer um eine optimale Reizsetzung gefolgt von einer Erholungsphase, wo die
gesetzten Reize in Adaption resultieren.
13) Lass dir Zeit und beachte die Regenerationszeiten
Lieber 1000 winzig kleine Fortschrittchen als ein
grosser Fortschritt, gefolgt von Rückschritten und Überlastungs-Symptomatiken!
Ausführlich besprechen wir dieses Thema aktuell im Blog von MarmotaTrailrunning.
Besser 90% austrainiert, als 101% übertrainiert.
Gönne dir eine langsame Entwicklung, denn du hast
Zeit. Wer länger läuft hat länger Spass.
Zudem finden all die positiven Adaptionen, die du so
gerne hättest, nicht während dem Training, sondern während der nachfolgenden
Regeneration statt.
Aber nach welchen Einheiten muss ich denn nun wie
lange pausieren und welche Einheiten lassen sich mit Vorteil vielleicht sogar
kombinieren?
Wenn du dich nicht mit der Trainingslehre auseinander
setzen möchtest, solltest du dir einen Coach gönnen.
14) Gönne dir viel lockeres Training
Als Faustregel gilt, 80-90% der Trainingszeit sollte
locker sein. 10-20% der Zeit widmest du dich intensivem Training. Als Anfänger
wirst du vermutlich zwangsläufig viel Zeit in einem
"mittel-intensiven" Bereich verbringen. Das ist normal. Aber versuche
mit zunehmendem Trainingserfolg immer mehr "entweder locker oder dann
richtig intensiv" zu trainieren.
Zudem macht es wenig Sinn, ein halbes Jahr vor dem
grossen Ziel bereits hochintensiv an seine Grenzen zu gehen. Ist das Ziel noch
in weiter Ferne, kümmere dich bewusst um die Basics. Lockeres Training
verbessert deinen Fettstoffwechsel und erzielt gleichzeitig einen regenerativen
Effekt. Ist das nicht toll?
15) Periodisieren!
Wir neigen dazu, immer alles aufs Mal zu wollen. In
der Folge bekommen wir meistens gar nichts auf die Reihe. Deine Vorbereitung
bis zu deinem grossen Ziel solltest du deshalb zumindest in eine Grundlagen-
und in eine Entwicklungsphase einteilen.
Eines führt zum anderen und das Training sollte
hierarchisch strukturiert werden. Man darf sich dabei durchaus auch etwas
längerfristig Gedanken machen.
Als Faustregel gilt: eine vernünftige Grundlagenphase
sollte in etwa doppelt so lange dauern wie die eigentliche Entwicklungsphase
mit zunehmend intensiverem Training. Konkrekt bedeutet dies, dass eine finale
Vorbereitung auf einen Marathon von vielleicht 10 Wochen eine vorgängige
Grundlagenphase von ca. 20 Wochen bedarf.
Trainingspläne mit Versprechen wie "in 10 Wochen
zum Marathon-Erfolg" sind demnach nur die halbe Wahrheit.
Fortgeschrittene können darauf aufbauend eine
Laufsaison beispielsweise auch in einer doppelten Periodisierung gestalten.
Viel mehr macht dann aber wenig Sinn. Fokus!
Fazit
Natürlich lässt sich zu jedem der genannten Punkte
noch so einiges ergänzen, ausführen oder in unterschiedlichen Kontext setzen.
Laufen ist keine besonders teure Sportart. Bevor man
sich dabei nachhaltig schädigt ist es keine Schande, sich kompetenten Beirat in
Form eines Trainers, Ernährungs-Trainers oder allenfalls Physiotherapeuten zu
holen. Mit einer professionellen Betreuung stehen einem auch die Türen zu
hochwertigen Präventionsmassnahmen (wie zum Beispiel eines
Spiro-Ergometrie-Tests) und den dazugehörigen Auswertungen offen.
Wer sich an ein paar grundlegende Tipps und Tricks
hält ist auf gutem Wege, an seinem grossen Tag nicht zu den nervös zappelnden
Unvorbereiteten zu gehören und tut viel für seine Gesundheit und damit für die
Freude am Laufen.
In diesem Sinne; immer dran denken: es ist noch kein
Meister vom Himmel gefallen und Laufen soll primär gesund sein und Spass
machen!
über den
Autor
Timon
Abegglen ist diplomierter Medical Fitness Trainer und
diplomierter Ernährungs Trainer, Bewegungsmensch, Kaffeetrinker und
wissbegieriger Querdenker. In seiner Rolle als Headcoach bei Marmota
Trailrunning arbeitet er täglich begeistert mit Leistungs-Athleten und Hobby-Sportlern
aller Couleur zusammen und hilft ihnen, individuelle Ziele zu erreichen.
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